Daniel Bartel: Hallo Steve, schön dich hier in Berlin zu treffen. Lass uns direkt anfangen: Warum werden die drei Methoden Business Model Generation, Customer Development und Design Thinking nun endlich erfolgreich miteinander verbunden und inwiefern verändern sie die Art und Weise, wie neue Unternehmen aufgebaut werden?
Steve Blank: Customer Development und Business Model Design gehen Hand in Hand mit Agile Engineering (Agiles Projektmanagement). Zusammen bilden Business Models, Customer Development und Agile Engineering das, was man Lean Startup nennt.
In der Anfangsphase von Unternehmen zielt das Design-Modell darauf ab, die grundlegenden Fakten der Geschäftsmodelle herauszukristallisieren, ehe das Geld ausgeht. Es ist auf schnelles Handeln und umgehendes Feedback ausgerichtet.
Design Thinking umfasst ebenfalls Design- und Nutzererfahrungen. Meiner Erfahrung nach findet es hauptsächlich in großen etablierten Unternehmen statt. Also dort, wo es an Geld und Zeit nicht mangelt. Wenn du hierbei scheiterst, tut das deiner persönlichen Karriere keinen Abbruch. Customer Development ist da eine ganz andere Geschichte. Bleibt hierbei der Erfolg aus, verkaufst du bald dein ganzes Hab und Gut, um Geld einzubringen. Die Motivation ist eine ganz andere. Der Teil der Kundenfindung scheint ähnlich – es gibt eine Menge Maßnahmen für schnelle Ergebnisse.

Steve Blank
Daniel: Was bedeuten diese neuen Herangehensweisen seitens Startups für bestehende Unternehmen hinsichtlich Innovation?
Steve Blank: Wenn du eine ganze Reihe von Methoden zur Verfügung stellst, können sich Unternehmen Gedanken machen ob sie diese letztendlich verwenden. Doch Innovation beginnt erst, wenn Unternehmen begreifen, dass es verschiedene Fragestellungen auf unterschiedlichen Ebenen gibt.
Was wir heute oft zu hören bekommen, ist, dass Unternehmen sich seit zwanzig Jahren auf Effizienz und Abläufe konzentrieren – zumindest in den USA und wahrscheinlich auch in Europa. Innovation ist aus den Unternehmen beinahe ganz vertrieben worden, als es darum ging zu entscheiden, ob man das Quartal gut abschließt oder lieber in die Zukunft investiert.
Das oberste Gebot für Innovation ist eine Art kulturelle Unterstützung. Ich habe festgestellt, wenn eine Innovationsabteilung aufgebaut werden soll, aber jemand aus den Bereichen Personal oder Buchhaltung zwischen dir und der ersten Führungsebene steht, kann man sich die Mühe direkt sparen. Das liegt nicht daran, dass die Personen in den zwischenebenen schlechte Menschen sind, sondern dass wir uns so sehr auf die Durchführung aller Abläufe konzentrieren, ohne uns richtig der Tatsache bewusst zu sein, dass Innovation eine andere Kultur und Ökosystem benötigt.
Wir wissen mittlerweile, wie man in großen Unternehmen neue, innovative Projekte aufbaut. Was wir aber immer wieder vergessen selbst wenn man eher kapitalistisch eingestellt ist, sollte man nicht sein gesamtes Vermögen auf ein Unternehmen setzen. Es ist ratsam, die Portfolios zu überprüfen. Meistens sehe ich, dass große Unternehmen auf ein oder zwei vereinzelte Initiativen setzen. Ohne zu verstehen, dass von zehn Ideen acht oder neun scheitern werden. In Kulturen in denen hauptsächlich auf Rang und Erfolg im Job geachtet wird, passiert es oft das dem Projektleiter die Schuld am Misserfolg geben wird und nicht dem Unternehmen.
Daniel: Bei unserer Initiative StartUp Stuttgart sprechen wir auch Studenten an, doch die haben häufig das Problem, dass sie sich mit den neuen Herangehensweisen überhaupt nicht auskennen und sich darum häufig mehr zu den großen Unternehmen hingezogen fühlen. Wie können wir eine Veränderung dahingehend bewirken, dass an den Universitäten die nötigen neuen Fähigkeiten vermittelt werden wie z.B. der Umgang mit Ihrem neuen Lean LaunchPad-Programm. Um Studenten die Startup Welt näher zu bringen.
Steve Blank: Eine Möglichkeit ist, zu lernen wie man das unterrichtet. Wir haben Lektionen dazu online frei zur Verfügung gestellt. Auch ich gebe einen Kurs für Lehrkräfte. Wir unterrichten in einer Stunde 60 – 75 Leute. Es ist recht schwierig, das Thema zu unterrichten, wenn man selber nie im Geschäft war. In Amerika funktioniert das, weil sich Leute dafür interessieren, die Erfahrung in der Branche und Verbindungen zu den Unis haben.
Wenn ein Wirtschaftsprofessor schon selbst Gegründet hat weiß er was er unterrichtet. Du denkst dir möglicherweise: „Ein Startup-Unternehmen? Wie schwer soll das schon sein? Dafür braucht es doch nur zwei Leute in einer Garage, die zigtausende von Leuten zu Rate ziehen.“ Es wird eine ganze Weile dauern, ehe sich diese Denkweise kulturell durchsetzt.
Außerdem denke ich, dass für junge Unternehmer alles nur irgend eine Theorie ist, solange sie im Unterricht nicht dafür begeistert werden oder selbst schon einmal eine Niederlage auf dem Gebiet einstecken mussten. Wer sich aber schon einmal selbst die Hände schmutzig gemacht und Übung in der Sache hat, wird die Ideen in gewisser Weise nachvollziehen können. Da sie das Gesamtbild erläutern, das hinter allem steckt.
Daniel: Danke dir vielmals für dieses Interview, Steve.
Mehr zu Steve Blank und seinem aktuellen Buch “The Startup Owner’s Manual” (auf Deutsch erschienen) finden sich auf steveblank.com. Kürzlich ist auch ein Artikel von ihm über die Thematik im Harvard Business Review erschienen: „Why the Lean Start-Up Changes Everything“.
Dieser Artikel ist ursprünglich auf www.startup-stuttgart.de erschienen.