Wie Digital Natives Unternehmen auf den Kopf stellen: Interview mit Daniel Bartel

Von / 16. Februar 2017

Der Design Thinker und Sharing-Experte Daniel Bartel spricht mit uns im Interview über eine Generation, der er selbst angehört und für die es keine Grenzen zwischen realer und virtueller Lebenswelt mehr gibt: die Digital Natives. Sie teilen Informationen über soziale Netzwerke mit anderen, vertrauen Fremden in der Sharing Economy und wirken aktiv bei der Verbesserung oder Entstehung von Online-Produkten mit.

BIEG Hessen: Was versteht man unter „Digital Natives“?

Daniel Bartel: Die ersten Digital Natives kamen etwa 1981 zur Welt. Anders als bei den Digital Immigrants sind die Digital Natives im Zeitalter der digitalen Errungenschaft geboren und mit der Digitalisierung aufgewachsen. So bin ich bereits mit dem Computer und dem Internet im Kinderzimmer groß geworden. Digital Natives trennen nicht zwischen realer und virtueller Lebenswelt. Der selbstverständliche Umgang mit den digitalen Medien beeinflusst zunehmend auch Unternehmen, so z.B. der bloggende Chef. Es gibt eigentlich nur noch aktive Verweigerer und noch fehlenden Internetzugang in einigen Regionen der Erde. Das wird sich aber ändern.

BIEG Hessen: Inwieweit beeinflusst dieses Verhalten die Kaufentscheidungen?

Daniel Bartel: Durch die ständige Verfügbarkeit von Daten und Messbarkeit, wie etwa durch Bewertungen, kennen die digital-Eingeborenen den besten Preis/Nutzen. Aber dies jetzt als Kritik aufzufassen, ist unbegründet: Unsereiner teilt Informationen über soziale Netzwerke mit anderen, vertraut Fremden in der Sharing Economy und wirkt aktiv bei der Verbesserung oder Entstehung von Online-Produkten mit, wie zum Beispiel durch Wikipedia oder Stauinformationen aufgrund der GPS-Koordinaten bei der Nutzung von Google Maps. Familie, Freunde, die lokale Feuerwehr und Rezensionen auf Amazon werden in dieser Zeit immer wichtiger und gelten als vertrauensvolle Informationsquellen, während Politik, Nachrichtenagenturen und Unternehmen dieses Maß an Vertrauen nicht mehr aufbringen können.

Über das Internet hat man die Möglichkeit, an nahezu alle Produkte zu kommen. Der umstrittene Seriengründer Oliver Samwer (Rocket Internet) sprach vor einigen Wochen auf einer Konferenz in Paris über den klassischen Handel und wie dieser noch im Mittelalter lebt. So hinterfragt er beispielsweise das Errichten von riesigen Shopping-Centern und Supermärkten in Nigeria, da die Menschen dort in naher Zukunft überwiegend von der Couch aus einkaufen werden. Natürlich eine überspitzte Darstellung, die aber zeigt, dass das Internet rasant wächst und zunehmend auch in den Alltag der Digital Immigrants vordringt. Ehemalige PC-Verweigerer (dazu zählen meine Eltern) sind nun Dank des iPads auf den neuen Wegen verbunden.

Daniel Bartel gehört zur Generation der Digital Natives, er ist Design Thinker und Sharing-Experte. Auf dem Social Media Day am 17. September 2014 in der IHK Frankfurt spricht er in seiner Keynote zum Thema „Aus dem Leben eines Digital Natives: Wie Sie als Unternehmen heute noch Vertrauen schaffen“.

BIEG Hessen Und was bedeutet das konkret für Unternehmen?

 

Daniel Bartel: Unternehmen werden weitestgehend von Digital Immigrants geführt bzw. sind durch sie entstanden. Das prägt natürlich die Kultur. Das Problem ist, dass digitale Einwanderer immer auch solche bleiben werden, seien sie moderner Technologie gegenüber noch so aufgeschlossen. Es ist einfacher gesagt als getan, sein Unternehmen auf die digitale Ära auszurichten – ein bloßer Onlineshop und eine hübsche Webseite werden da nicht reichen. Digital Natives haben heutzutage ganz andere Ansprüche, Informationsquellen und Möglichkeiten als noch vor zehn Jahren. Im Internet wird ganz anders konsumiert, das erfordert eine kulturelle Veränderung aller bestehenden Anbieter. Ganze Wertschöpfungsketten verschieben sich durch die digitale Arbeit, neue Werte sowie die Sharing Economy. Der Nutzer ist im Zentrum angekommen und verlangt von Unternehmen einen echten und nachhaltigen Mehrwert – über die Slogans der Marketing-Abteilung hinaus.

Modernste Navigationssysteme, die kaum intuitiv zu bedienen sind, zeigen, wie schwierig es ist, ein einfaches, stressfreies Erlebnis zu schaffen. Das Web und das Internet der Dinge darf nicht als bloßer Vertriebsweg oder Medium gesehen, sondern muss als Betriebssystem verstanden werden. Tesla, Google und teilweise BMW zeigen, wie man bestehende Märkte mit Hilfe der Digitalisierung neu erfindet. So erkennt beispielsweise Google, dass das selbstfahrende Auto den Reisenden enorme Zeit schenkt, die wiederum für das Surfen im Internet und damit die Verwendung von Google-Produkten genutzt werden kann. Der Umsatz wird also nicht mit dem Verkauf von Fahrzeugen sondern mit dem Konsum von Werbung gemacht.

Die Digital Natives (oder auch Generation Y) können die digitale Luft atmen und wissen, welche Bedeutung rein digitale Produkte, Medien und Kunst haben. Durch die Gegebenheiten der digitalen Wirtschaft wird alles extrem erschwinglich und ist unendlich reproduzierbar. Open Source- und Creative Commons-Ansätze ermöglichen sogar kostenlose Werke; Ländergrenzen existieren im Netz nicht. Es bilden sich neue Gemeinschaften, und der zeitgleiche Austausch ermöglicht neue Wertschöpfungsketten an klassischen Unternehmen vorbei. Unternehmen werden in Zukunft noch vernetzter und integrativer handeln müssen, um nicht als austauschbarer Zulieferer zu enden – Möglichkeiten wie Design Thinking, Co-Creation und Open Innovation zeigen, dass Digital Natives durchaus bereit sind, ihr Wissen und ihre Anforderungen mit bestehenden Unternehmen zu diskutieren.

Das Interview führte Uta Nübl.

Dieser Artikel ist ursprünglich auf www.bieg-hessen.de erschienen.

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