Es gibt so viele bereichernde Informationen und Tipps für Startups. Doch manchmal kann es überwältigend sein zu entscheiden, was man heute machen sollte. Insbesondere bei Web- und App-Startups solltest Du zuallererst drei entscheidende Fragen über Dein Unternehmen beantworten:
Problem, Einnahmen, Vertriebsweg: dies sind die drei größten Risiken für Dein Unternehmen.
Heutzutage haben Unternehmer auf alle möglichen fantastischen Hilfsmittel Zugriff, sei es online oder offline. Diese sagen uns wie wir unsere Produkte entwickeln und unsere Firmen führen können. Leider führt die Verfügbarkeit von so vielen kostenlosen Informationen für uns zu einem Dilemma: es ist leicht, überwältigt zu sein. Bei meinen Startup-Beratungsanrufen höre ich oft folgendes Problem, „Ich möchte ein Lean Startup-Unternehmen haben, aber wo soll ich anfangen?” Das ist eine gute Frage.
Wie schon in Kapitel 2 erwähnt, stellt der Canvas, wie zum Beispiel Ash Mauryas Lean Canvas und Alexander Osterwalders Business Model Canvas eine große Verbesserung zum traditionellen Businessplan dar. Der Canvas vereinfacht die Präsentation von Informationen auf das Wesentliche, aber es bedarf monate- und jahrelanger Arbeit, bis man weiß, welche Informationen in die Felder gehören. Wichtig ist, dass Du mit den größten Risikobereichen anfängst. Web- und App-Startups haben ähnliche Risikoprofile.
Bei allen Unternehmen gibt es Risiken, aber Medikamentenforschung bringt natürlich sehr unterschiedliche Risiken mit sich als eine mobile Dating-App. Über die Jahre habe ich erkannt, dass die Risiken für Web- und App-Startups sehr ähnlich sind. Wenn wir Ash Mauryas Lean Canvas verwenden, können wir die Hauptrisiken in den Feldern für das Problem, die Einnahmen und den Vertriebsweg erkennen.
Die meisten Startups scheinen nie weiter als diese scheinbar einfache Frage zu kommen. Ich benutze den Ausdruck „scheinbar“, da es schwierig ist, ein wirkliches Problem zu erkennen. Das Problem-Feld sollte das erste Feld sein, das Du ausfüllst. Du solltest die Annahmen des Problems vom ersten Tag an durch unstrukturierte Interviews mit potentiellen Nutzern und Kunden prüfen. Bis Du ein Problem zum Lösen findest, ist die Arbeit am Rest des Canvas eine akademische Übung.
Es ist anzumerken, dass das amerikanische Wort „Problem“ nicht so negativ und eng besetzt ist, wie im Deutschen. Statt Problem kannst Du auch Herausforderung, Bedürfnis, Wunsch oder auch Sehnsucht sagen.
Es wäre so schön, wenn jedes Problem zu einer Geschäftschance führen würde. Doch die Welt ist voller Probleme, für die eine Lösung nicht kostenwirksam ist. Aus meist scheinbar irrationalen Gründen bezahlen die Leute einfach nicht für die Lösung ihrer Probleme. Daher ist das Einnahmen-Feld (Revenue Streams) das zweite Feld, das Du ausfüllen solltest. Der beste Weg, um anfängliche Fragen in Sachen Einnahmen zu beantworten ist, die Lösung in Rechnung zu stellen, bevor sie entwickelt worden ist – was nicht immer durchführbar ist. Du kannst Einnahmen prüfen, indem Du potentielle Kunden um eine vorläufige Bestellung bittest und Gratisproben mit Kostenübersichten anbietest, oder eine Startseite mit Zahlungsaufforderungen einrichtest. Die Preisgestaltung ist ein dynamisches und komplexes Attribut des Modells. In der Anfangsphase brauchen wir einfach Anzeichen, dass die Leute uns überhaupt bezahlen werden. Wenn niemand bereit ist, für eine Lösung zu bezahlen, dann kannst Du den Rest des Canvas ignorieren. Es sei denn, Du siehst Dein Startup eher als Hobby.
Aus irgendeinem Grund denken Web- und App-Startups nicht gerne an Fragen über Kundengewinnungskosten, dabei sind schon so viele Startups daran gescheitert, als sie gemerkt haben, dass es zu teuer ist, zahlende Kunden zu gewinnen. Persönliches Customer Development ist absolut entscheidend, um Erkenntnisse über das Problem zu erlangen, aber nur wenige Web- und App-Startups können genug verlangen, um die Kosten eines Direktverkaufs abdecken zu können. Am besten kann man die Risiken, die mit dem Weg zum Kunden (Channel) verbunden sind, erkennen, indem man sie modelliert und prüft. Die meisten Web- und App-Startups benutzen dafür Google Adwords oder Content-Vermarktungskampagnen.
Theoretisch könnte ich alles auf einmal lösen, und ein Unternehmen muss diese Probleme lösen. Aber in der Praxis gehe ich diese Risiken der Reihenfolge nach an, da jedes Risiko sehr viel Zeit und Konzentration erfordert. Wenn Du mit der Lösung eines Problems keine Einnahmen machen kannst, dann musst Du Dir ein anderes Problem zum Lösen suchen. Gleicherweise musst Du das Problem und die Einnahmen überarbeiten, wenn Du keinen skalierbaren Weg zu Deinem Kunden finden kannst.
Sind die Lösung, das Kundensegment, unlautere Vorteile und die Kostengliederung wichtig? Natürlich. Allerdings wird es einfacher sein diese Felder auszufüllen, wenn Du die Hauptfragen zum Problem, den Einnahmen und dem Vertriebsweg beantwortet hast. Die meisten Web- und App-Startups entwickeln keine innovative Technologie, daher beinhaltet die Lösung das Zusammenstellen der richtigen Hilfsmittel und die Durchführung, und die Kostengliederung betrifft meistens Menschen. Das Kundensegment wird in gleicher Weise erschlossen werden, sobald Du das Problem kennst – die Kunden sind diejenigen, die das Problem haben.
Die meisten Unternehmer – und leider auch zu viele Berater für Startups – achten zwar auf Risiken, aber nicht auf die wesentlichen Risiken. Es ist einfacher, über die Lösung (also die Produkteigenschaften) und unlautere Vorteile (also die Konkurrenz) zu sprechen, da das die Aspekte des Unternehmens sind, die offensichtlich sind – wir können sie sehen. Du (oder die Startups denen Du hilfst) können eine Menge Zeit und Kummer sparen, indem Du Dich stattdessen auf die wesentlichen Risiken konzentrierst, die über die Zukunft Deines Unternehmens entscheiden werden.
Problem. Einnahmen. Vertriebsweg. Das sind die 3 entscheidenden Fragen für Startups.
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