Die meisten Leute erwarten, dass wir Verkaufsgespräche über unsere Produkte führen. Wenn wir stattdessen bei Customer Development Interviews Fragen über Gewohnheiten und Probleme stellen, wirkt die Unterhaltung oft sehr merkwürdig auf sie. Ich habe festgestellt, dass das Gestalten von Interviews durch
natürlicher verlaufen lassen.
Neuerdings haben mich mehrere Startups während meiner Beratungssprechstunde gefragt, warum Customer Development Interviews manchmal so unnatürlich wirken, und was sie daran ändern können. Da ich mich verpflichtet habe, über die praktischen Seiten des Lean Startup Vorgehens zu schreiben, werde ich hier meine eigenen Erfahrungen teilen.
Die meisten Customer Development Ideen stammen aus den Erfahrungen von Unternehmen im Silicon Valley. Leider merken mittlerweile viele von uns, dass die Regeln und Leitfäden nicht immer unbedingt auf andere Regionen und Kulturen angewendet werden können. Im Valley kannst Du in das Büro von jemandem gehen und dich konzeptionell über Weltveränderung unterhalten. Startups sind ein Teil der Kultur des Silicon Valleys. Die Menschen stellen Ideen vor und interessieren sich für Existenzgründungen. Leute wollen Unternehmern helfen und sprechen gerne über die Lösung von Problemen. Das trifft aber nicht auf den Rest der Welt zu.
Letzte Woche hatte ich die Gelegenheit, ein paar Startups in Hong Kong zu helfen. Die Gründer befolgen Steve Blanks Ratschläge zur Durchführung von Customer Development Interviews und haben festgestellt, dass die Leute nicht über ihre Probleme sprechen wollen. Einige sagen sogar, „wir haben keine Probleme”. Das trifft vor allem auf asiatische Kulturen zu, in denen es für die Menschen wichtig ist, das „Gesicht zu bewahren”. Customer Development Interviews können außerhalb vom Silicon Valley unnatürlich wirken.
Also … warum sind Sie hier in meinem Büro? 99.999% der Welt – fast alle Deiner Kunden mitinbegriffen – werden annehmen, dass Du versuchen wirst, ihnen etwas zu verkaufen. Die meisten Verkaufsmaschen sind schrecklich und wir sind es alle leid, Dinge verkauft zu bekommen. Sobald Du anfängst zu reden, werden sie versuchen, den schnellsten Weg zu finden Dir mitzuteilen „das ist nichts für mich, weil …”
Wenn wir also nicht mit einer Masche anfangen, sondern Fragen wie zum Beispiel „was sind Ihre größten Probleme”, „was für ein Budget haben Sie”, oder „wie funktioniert Ihr Ablauf beim X-Vorgang” stellen, dann sind die meisten Leute sofort auf der Hut. Sie erwarten eine Masche und Du stellst forschende Fragen. Manchmal unterbrechen Leute den Dialog wie folgt:
Kunde: Also … was genau macht ihr?
Ich (dabei denke ich: das frage ich mich eigentlich auch): Wir arbeiten an einer Lösung, um Problem X für Leute wie Sie einfacher zu machen.
Kunde: Oh. Und was ist das Produkt/was verkaufen Sie?
Ich: Also … noch gar nichts, aber zukünftig vielleicht …
Zu diesem Zeitpunkt schaut der Kunde auf seine Uhr und fängt an, über sein nächstes Meeting nachzudenken und ich werde wahrscheinlich nicht viel von dem Gespräch haben. Oder noch schlimmer, er oder sie fängt an sich Sorgen zu machen, dass ich seinem oder ihrem Chef von den Problemen erzählen werde. Customer Development Interviews können unnatürlich wirken, da sie nicht das sind, was die Leute erwarten. Ich habe festgestellt, dass Meetings weniger unnatürlich wirken, wenn man den richtigen Rahmen setzt.
Mehr zu den Interviewtechniken im übersetzten Buch „Der Mom-Test“.
Der beste Weg um einen Rahmen für diese Meetings zu setzen ist – ehrlich – um Rat zu bitten. Leute lieben es, Ratschläge zu geben und wenn Du einfach danach fragst, zeigst Du dadurch, dass Du ihre Meinung respektierst. Dadurch entsteht die Erwartung, dass der Kunde reden wird und dass Du zuhören wirst, um dann detailliertere Fragen zu stellen. Rob Fitzpatrick überbringt in diesem Video (Minute 14) eine ausdrückliche Nachricht im Zusammenhang mit der Suche nach Branchenberatern für Deine Firma.
Wenn möglich versuche ich immer, Interviewpartnern Lunch, Kaffee oder Getränke auszugeben. Lunch Meetings sind fantastisch, da sie einen natürlichen Anfang und ein natürliches Ende haben. Wenn Du Dich in dem Büro von jemandem triffst, plane 20 Minuten ein. Du solltest natürlich darauf vorbereitet sein, länger zu bleiben, wenn der Wunsch besteht, das Gespräch weiterzuführen. Aber wenn ich für 20 Minuten plane, muss ich mir 2-3 Hauptfragen heraussuchen, da ich für mehr keine Zeit haben werde. Ich versuche normalerweise, die Unterhaltung mit einer Anschlussfrage zu der Person anzufangen, die uns vorgestellt hat, über ihre Lieblingsmannschaft oder über ihre Familie. Vertriebler kennen sich damit aus und können Dir hierzu fantastische Ratschläge geben.
Alleine durch die Arbeit an Deiner Idee für ein Startup und durch die vielen Gespräche mit verschiedenen Menschen hast Du etwas, das für Deine potentiellen Kunden von Wert ist: Einen Einblick auf Makroebene, den sie nicht haben. Kunden verbringen ihren Tag damit, Brandherde zu bekämpfen, sich bei Meetings zu langweilen und E-Mails zu beantworten. Eine fundierte Diskussion mit einem Außenseiter kann daher eine willkommene Ablenkung sein. Wenn Du den Menschen Whitebooks, geänderte Regulierungen, Links zu Blogs oder Erkenntnisse aus Meetings bieten kannst, dann hast Du plötzlich das Meeting in einen Dialog zwischen Kollegen verwandelt und Du bist nicht länger jemand, der ihnen etwas verkaufen will.
Wenn Du gute Customer Development Fragen stellst, dann wirst Du Fragen zu Verhalten, Problemen und Weltansichten stellen. Ich finde es wichtig zu erklären, warum man das macht, bevor man anfängt. Neuerdings sage ich, „Also bevor ich Ihnen meine Idee erkläre, würde ich Ihnen gerne einige Hintergrundfragen darüber stellen, wie Sie im Moment arbeiten. Ist das ok?”. Sie sagen immer „ja” und dann habe ich ihre Erlaubnis. Und insgesamt — ein natürlicheres Customer Development Interview.
Ich: Hey Tom, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, um mir ein paar Ratschläge zu geben. Woher kennen Sie Peter?
Kunde: Klar, kein Problem. Peter und ich …
Ich: Super. Ich weiß, dass Sie viel zu tun haben, deshalb werde ich versuchen, bis 14:30 fertig zu sein. Kann ich, bevor ich Sie im Zusammenhang mit meiner Idee um Rat bitte, ein paar Hintergrundfragen stellen, wie Sie im Moment arbeiten? Ich möchte Ihre Antworten nicht durch meine Ideen beeinflussen.
Kunde: Klar, nur zu.
Ich: Fantastisch. Also, wie lange brauchen Firmen in Ihrer Branche normalerweise, um Daten zu verarbeiten …
Kunde: Also das kommt auf die Firma drauf an. Bei uns …
Ich: Wow, das ist interessant. Als ich mich mit der Firma X, Y, Z unterhalten habe, wurde mir gesagt …
Kunde: Wirklich? Das würde hier niemals passieren. Ich wette X, Y, Z …
Es sehr einfach Menschen zum Reden zu bringen, wenn für das Meeting der richtige Rahmen gesetzt wurde. Noch bessere ist es, viele Beziehungen in der Branche zu haben und als Vordenker und Verbinder angesehen zu werden. Ich beginne Projekte mittlerweile damit, darüber nachdenken, wie ich mir ein Publikum verschaffen und als Experte angesehen werden kann; da ist zum Beispiel mein Helpful Marketing Newsletter. Es ist einfach zu schwierig, Menschen dazu zu bringen, mit mir zu reden, wenn ich ihnen keinen guten Grund bieten kann. Die meisten Unternehmer fangen mit einem Blog an. Ich hatte bisher mit anderen Taktiken, wie zum Beispiel der Gründung von Meetups, der Einrichtung von Sprechstunden und dem Entwurf von Verzeichnissen mehr Erfolg. Die verschiedenen Taktiken hängen von Deiner Branche ab.
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